Cajo Brendel (1915 - 2007)

Cajo Brendel

Ende Juni 2007 ist Cajo Brendel nach längerem Leiden im Alter von 92 Jahren gestorben.

Wir haben Cajo 1998 anlässlich einer Lesung in unserer Bücherei als humorvollen, freundlichen und energiegeladenen Menschen kennen- und schätzen gelernt, als jemanden, der sich unermüdlich für eine bessere Welt eingesetzt hat. So werden wir ihn auch in Erinnerung behalten.
Anstelle eines Nachrufs bringen wir hier einen kurzen Artikel über sein Leben und eine Liste von ihm veröffentlichter Texte:

CAJO BRENDEL, geboren 1915 in Den Haag (Niederlande). Wächst in kleinbürgerlichen Verhält­nissen auf. Sein Vater geht in der Weltwirtschaftskrise bankrott. Nach dem Verlassen des Elternhauses schlägt er sich abwechselnd als Arbeiter oder Arbeitsloser durch, kann durch günstige Umstände auch einige Zeit studieren. Anfangs hegt er Sympathien für den Trotzkismus, schließt sich dann aber 1934 als Neunzehnjähriger der holländischen Gruppe Internationaler Kommunisten (GIK) an, die rätekommunistische Positionen vertritt. Nach der Rückkehr aus deutscher Kriegs­gefangenschaft lebt er in Amersfoort und arbeitet als Journalist in Utrecht. Von Anfang 1952 bis Ende 1954 ist er einer der Redakteure der holländischen Zeitschrift «Spartacus». Seit 1965 Mitherausgeber der Monatsschrift "Daad en Gedachte".

Veröffentlichungen in deutscher Sprache u.a.:


Bemerkungen zum Rätekommunismus

Holländische Kommunisten, allen voran Anton Pannekoek und Herman Gorter, gehörten neben Rosa Luxemburg und anderen deutschen Kommunisten wie Otto Rühle schon seit Beginn der 20er Jahre an zu den Kritikern der Leninischen Parteipolitik und setzen sich intensiv mit dessen theoretischen Anschauungen auseinander. Sie werfen ihm vor, schon bald nach der russischen Revolution von 1917 die Sowjets aufgelöst zu haben. Diese ursprünglich spontan von streikenden Arbeitern gebildeten Räte, denen auch aus dem Weltkrieg zurückkehrende Soldaten angehörten, sollten jene Organe sein, durch die die Arbeiter und Bauern sich von den feudalen und kapitalistischen Fesseln hätte befreien können. Ihnen hatte alle Macht gehören sollen. Nachdem aber alle politischen Gegner ausgeschaltet waren, übernahm die Kommunistische Partei selbst die Kommandoposten und verurteilte die Räte zur Bedeutungslosigkeit.
Im Gegensatz dazu beharrten die kommunistischen Kritiker der Bolschewiki darauf, daß nur die Arbeiter selbst sich von Ausbeutung und Unterdrückung befreien könnten. Wenn sich dagegen eine revolutionäre Avantgarde an die Spitze der Gesellschaft stelle, übenähmen schließlich sie die Position der bisherigen Machthaber.
Was bei Lenin schon angelegt sei, habe schließlich Stalin mit der brutalen Kampagne zur Kollektivierung der Landwirtschaft und einer ohne Rücksicht auf Verluste durchgeführten Industrialisierung praktisch ins Werk gesetzt. Mit Sozialismus oder gar Kommunismus hat diese Entwicklung aus rätekommunistischer Sicht nicht das geringste zu tun. Der sogenannte proletarische Staat, die angebliche Diktatur des Proletariats, sei lediglich eine Diktatur über das Proletariat. Die Arbeiter blieben lohnabhängig, Partei und Staat übernähmen die Funktionen, die zuvor der zaristische Verwaltungsapparat und die Kapitalisten ausgeübt hatten.
Mit dieser Haltung grenzten sich die Rätekommunisten nicht nur von den großen kommunistischen Parteien ab und wurden von ihnen als Feinde der Sowjetunion und damit auch als eigene Gegner betrachtet. Sie standen ebenso im Gegensatz zu anderen oppositionellen Strömungen, wie etwa dem Trotzkismus, der darauf beharrte, die Arbeiter in Rußland hätten die ökonomische Macht nicht nur übernehmen, sondern auch behaupten können. Lediglich politisch seien sie durch den stalinistischen Apparat entmündigt worden. Sie begründeten dies damit, daß schließlich keine Konterrevolution stattgefunden habe und die Betriebe nicht reprivatisiert worden wären.
Großen praktischen Einfluß haben die Rätekommunisten unter der Arbeiterbewegung nicht gewinnen können. Es bleibt ihnen aber das Verdienst, auf die negativen Seiten der Entwicklung in den Ländern des „real existierenden Sozialismus“ hingewiesen zu haben und nicht der Versuchung erlegen zu sein, alles, was dort vorging, zu rechtfertigen, um nicht die kommunistische Idee in Verruf zu bringen, wie das andere linke Gruppen und Parteien praktiziert hatten.


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